Bewegungskünstler mit „Rüsselspitzengefühl“: Berliner Forschende entschlüsseln Gesichtsmotorik von Elefanten / Trunk dexterity explained: Berlin scientists decipher facial motor control in elephants

Elefanten verfügen über ein erstaunliches Arsenal der Bewegung in Gesicht, Ohren und Rüssel. Der Rüssel besteht aus weit mehr Muskeln als der gesamte menschliche Körper und kann sowohl kräftige als auch sehr filigrane Bewegungen ausführen. Ein Wissenschaftsteam der Humboldt-Universität zu Berlin und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) untersuchten nun den Gesichtskern (facial nucleus) Afrikanischer und Asiatischer Elefanten, jener Hirnstruktur welche die Gesichtsmuskulatur der Tiere kontrolliert. Dieser enthalte mehr Nervenzellen als bei allen anderen auf dem Land lebenden Säugetieren, erläutern sie in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Science Advances“. Afrikanische Elefanten wiesen zudem besonders markante Nervenzellhäufungen für die Kontrolle der Rüssel-„Finger“ auf.

Der Elefantenrüssel ist ein einzigartiges Organ. Zum einen ist der Rüssel sehr muskulös und stark und besteht aus weit mehr Muskeln als der gesamte menschliche Körper. Zum andern ist der Rüssel hochempfindlich und geschickt. Tatsächlich erinnert die Art und Weise, wie Elefanten ihren Rüssel nutzen, an die menschliche Hand. Lena Kaufmann und Kollegen im Labor von Michael Brecht an der HU Berlin und die Arbeitsgruppe von Thomas Hildebrandt am Leibniz-IZW untersuchten und beschrieben nun erstmals detailliert den sogenannten Gesichtskern der Elefanten ­– jener Hirnstruktur, die für die Steuerung und Kontrolle der Gesichtsmuskulatur der Elefanten, von den Ohren bis zur Rüsselspitze, verantwortlich ist.

„Der Gesichtskern der Elefanten ist einzigartig, und enthält mehr Nervenzellen als in allen anderen auf dem Land lebenden Säugetieren“, sagt Erstautorin Lena Kaufmann von der HU Berlin. Die Berliner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zählten circa 54.000 Nervenzellen im Gesichtskern von Asiatischen Elefanten (Elephas maximus), bei ihren afrikanischen Verwandten (Loxodonta africana) sind es sogar rund 63.000. Das Team führte die noch höhere Zahl der sogenannten „facial nucleus neurons“ bei Afrikanische Elefanten auf deren größere Ohren und ausgefeiltere Rüsselspitze zurück. „Afrikanische Elefanten ergreifen Objekte mit den zwei sogenannten Rüsselfingern an der Spitze des Rüssels“, sagt Thomas Hildebrandt vom Leibniz-IZW. „Diese Art des Zangengriffs erfordert viel Fingerspitzengefühl. Passend dazu gibt es im Hirn afrikanischer Elefanten markante Nervenzellhaufen für die Fingerspitzenkontrolle.“ Asiatische Elefanten haben dagegen nur einen Rüsselfinger und umwickeln Objekte mit dem Rüssel; bei den asiatischen Elefanten ist auch die neuronale Fingerspitzenkontrolle durch das Gehirn weniger markant.

„Der Gesichtskern der Elefanten ist eine höchst ungewöhnliche Hirnstruktur“, sagt Michael Brecht. ‚Es ist nicht nur die große Zahl von Nervenzellen. Wir sehen Größenunterschiede von Nervenzellen entlang der Rüsselrepräsentation, die wir in anderen Säugern nicht beobachten. Wahrscheinlich ergibt sich die Notwendigkeit von Riesennervenzellen in Elefanten wegen der meterlangen Rüsselverkabelung.“

 

Abbildung: Nervenzellen im Gesichtskern eines afrikanischen Elefanten (links). Der Gesichtskern ist die Hirnstruktur, die die Gesichtsmuskulatur kontrolliert. Rüsselspitze mit Rüsselfingern eines afrikanischen Elefanten (rechts). Die Repräsentation des Rüsselfingers ist deutlich sichtbar im Hirn des Tieres. Copyright: L. Kaufmann/M. Brecht/Science Advances

 

Originalpublikation
Kaufmann LV, Schneeweiß U, Maier E, Hildebrandt TB, Brecht M (2022): Elephant facial motor control. Science Advances Vol 8, Issue 43. DOI: 10.1126/sciadv.abq2789

 

Kontakt
Prof. Dr. Michael Brecht, Bernstein Center for Computational Neuroscience Berlin/Humboldt-Universität zu Berlin
Tel: +49 (0) 30 2093 6770, email: michael.brecht@bccn-berlin.de

Die Original-Pressemitteilung finden Sie hier.

************************** 

Elephants have an amazing arsenal of face, ear and trunk movements. The trunk consists of far more muscles than the entire human body and can perform both powerful and very delicate movements. A team of scientists from the Humboldt University of Berlin and the Leibniz Institute for Zoo and Wildlife Research (Leibniz-IZW) now examined the facial motor nucleus of African and Asian elephants, the brain structure that controls the facial muscles of these animals. This nucleus contains more facial motor neurons than in any other terrestrial mammal, the scientists show in a paper published in the journal “Science Advances”. African elephants in particular have particularly prominent neuron clusters for the control of the trunk “fingers”.

One of the most remarkable body parts in the animal kingdom is the elephant trunk. It is extremely muscular and strong, containing far more muscles than the entire human body, and yet it is very sensitive and capable of carefully performed, finely tuned motor actions. The way elephants use the tip of their trunk strongly resembles a human hand, and they actually have so-called fingers at the tip. Lena Kaufmann and colleagues in Michael Brecht’s laboratory at HU Berlin and Thomas Hildebrandt’s Department of Reproduction Management at the Leibniz-IZW for the first time have now studied and described in detail the so-called elephant facial nucleus - the brain structure responsible for controlling the elephants’ facial muscles, from the ears to the tip of the trunk.

“The elephant’s facial motor nucleus is unique in several ways. For example, it contains more facial motor neurons than all other terrestrial mammals“, says first author Lena Kaufmann (HU Berlin). The scientists counted about 54,000 neurons in the facial nucleus of Asian elephants (Elephas maximus), whereas the African savanna elephant (Loxodonta africana) even has about 63,000. The team attributed the higher number of facial nucleus neurons in African savanna elephants to their larger ears and more elaborate trunk tip. „African savanna elephants have two so-called fingers at the trunk tip with which they grip objects“, says Thomas Hildebrandt (Leibniz-IZW). „This kind of pincer grip requires much dexterity with the trunk tip. Not surprisingly, we see in the brains of African elephants prominent neuron clusters for the control of the fingertips.“ Asian elephants have only one finger and tend to wrap their trunk around objects; hence their finger-tip is less prominently represented in their brain.

“The elephant facial nucleus is one of a kind”, says Michael Brecht. “It’s not just the huge number of neurons. We also observed size gradients of neurons along the trunk representation that we do not see in other mammals. The observed giant elephant neurons probably arise from the need to extend very long signalling structures into the trunk.”

Figure: Nerve cells in the African elephant’s facial motor nucleus (left). The facial nucleus is the brain structure, which controls the muscles of the face. Trunk tip of an African elephant with the two trunk fingers (right). The ‘trunk-finger’ representation stands out in the elephant’s brain. Copyright: Lena Kaufmann/Michael Brecht/Science Advances


Publication
Kaufmann LV, Schneeweiß U, Maier E, Hildebrandt TB, Brecht M (2022): Elephant facial motor control. Science Advances Vol 8, Issue 43.  DOI: 10.1126/sciadv.abq2789

Contact
Prof. Dr. Michael Brecht, Bernstein Center for Computational Neuroscience Berlin/Humboldt-Universität zu Berlin
Tel: +49 (0) 30 2093 6770, email: michael.brecht@bccn-berlin.de

The original press release can be found here.

 

Go back