Lüder Deecke, Medizinische Universität Wien

Bereitschaftspotential, Willensfreiheit und Verantwortung

Teil 1: Bereitschaftspotential: Hans Helmut Kornhuber (1928-2009)
und ich haben 1964 in Freiburg i. Br. Hirnpotentiale gefunden, die unseren Willenshandlungen vorausgehen: Bereitschaftspotential (BP), weltweit so genannt (ein deutsches Wort in der englischen Sprache). Das BP war kein Zufallsbefund; wir haben gezielt nach Zeichen selbst-aktiver Intention und Willen gesucht. Der Arbeitsplatz des BPs auch mit Fotos der Geräte, sowie der wissenschaftliche Hintergrund der BP-Entdeckung werden beschrieben. Das Full Paper (1965) wurde ein ‘Citation Classic‘, von denen noch drei weitere erschienen. Klinische Anwendung: BP beim Parkinson. Das BP-Analogon im MEG (Magnetoenzephalogramm) Bereitschaftsmagnetfeld wurde auch von uns gefunden. Die Libet-Versuche werden sehr kritisch diskutiert und müssen jetzt, ‘Post Haynes‘, anders interpretiert werden. Visuelle Trackingbewegungen von Lang et al. zeigten, dass die SMA (supplementäre motorische Area) die Bewegung startet aber nicht ausführt, sie delegiert dies an den ‘Experten,‘ den jeweils für die Handlung zuständigen speziellen (Sinnes-) Cortex. Cunnington et al. leiteten im fMRT den Bereitschafts-BOLD-Effekt ab, die Kurve sieht aus wie das BP, sie ist nur zeitlich verzögert. Kornhuber und ich fanden, dass auch die CMA (cinguläre motorische Area) vor Handlungen aktiv ist. Cunnington et al. haben nun gleichzeitig (concurrent) das EEG und das fMRT abgeleitet [Nguyen, Breakspear & Cunnington 2014]. Außerdem verwendeten sie Single-trial analysis! Sie fanden, dass ‘reziproke Interaktionen der SMA und des cingulären Cortex die prämotorische Hirnaktivierung für willkürliche Handlungen nachhaltig aufrechterhalten’ (J Neurosci 2014, 34: 16397-16407) Diese nachhaltige Aktivität vor einer Handlung stammt also aus diesem reziproken, ‘self-sustaining system‘) der CMA und SMA, die ihre Aktivitäten gegenseitig aufrechterhalten und antreiben in einer running loop der Handlungsbereitschaft‘ – ein sehr effektives Priming, das jederzeit die sofortige Auslösung von Handlungen praktisch latenzfrei ermöglicht.

Teil 2: Willensfreiheit und Verantwortung. Kornhuber und ich hatten a priori eine positive Einstellung zur Willensfreiheit, die sich auf die altgriechischen Philosophen, die weitere Philosophie-Historie, Aufklärung und Experimente stützt. Wir haben allerdings nie gesagt, dass das Bereitschaftspotential zeigen würde, dass wir Willensfreiheit hätten! Da sind wir misinterpretiert worden. Auch heute noch sind unsere Kenntnisse, Möglichkeiten und Technologien der Hirnforschung nicht fortgeschritten genug, um die Frage, ob wir Willensfreiheit haben, zu klären. Die Aussage, dass durch die Experimente von Libet die Anschauung, der Mensch habe Willensfreiheit widerlegt worden sei, ist falsch. Durch das ausgeklügelte Experiment von John Dylan Haynes und seinem Team hier in Berlin wird dieses Statement noch weiter und nun absolut falsifiziert. Zu sagen, der Mensch habe keine Willensfreiheit ist außerdem ethisch bedenklich, denn diese Einstellung führt zu einer Zunahme von Aggression und Abnahme von Hilfsbereitschaft bei Testpersonen (Baumeister et al. 2009). Menschliche Freiheit ist eine besondere Sache. Sie ist keine absolute Freiheit, diese würde Freiheit von der Natur bedeuten, was a priori unmöglich ist. Nach Kornhuber und mir haben wir relative Freiheit, gradierte Freiheit, Freiheit in Graden (degrees of freedom). Dass uns diese Freiheit nicht in die Wiege gelegt wird, sondern dass wir dafür etwas tun müssen durch gutes Selbst-Management, wird im Vortrag ausgeführt werden.

Additional Information

Vortrag auf Deutsch / Talk will be held in German.

Organized by

John-Dylan Haynes

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